„Es erhob sich ein Streit unter ihnen, wer von ihnen als der Größte gelten solle. Er aber sprach zu ihnen:
Die Könige herrschen über ihre Völker, und ihre Machthaber lassen sich „Wohltäter“ nennen.
Ihr aber nicht so! Sondern der Größte unter euch soll sein wie der Jüngste, und der Vornehmste wie ein Diener.“

Lukas  22, 24-26

Haben wir diesbezüglich Fortschritte gemacht in den letzten 2000 Jahren? Demut steht nicht hoch im Kurs. Nicht einmal Versager, wie es sie zuletzt in der Finanzwirtschaft zu Hauf gegeben hat, können sich dazu verstehen, den Kopf zu senken. Von denen, die wirklich „groß“ oder „vornehm“ sind, ganz zu schweigen.

Dabei ist es ja nicht so, als hätte der Wert der Demut in Gesellschaft und Politik überhaupt keine Tradition. Frühneuzeitliche Könige „von Gottes Gnaden“ wussten immerhin, dass sie ihren Thron keinesfalls der eigenen Großartigkeit, sondern eben lediglich „der Gnade Gottes“ zu verdanken hatten. Und ein Friedrich II. konnte sich als „Ersten Diener seines Staates“ verstehen. Freilich haben schon diese monarchischen Attribute einen Beigeschmack von Eitelkeit; aber eine solch demonstrative Verbeugung vor etwas, das größer ist als man selbst, behält auch dann einen Wert, wenn sie nicht von der lautersten Überzeugung motiviert ist.

Es bleibt doch immer die öffentliche Bekundung, einer höheren Ordnung unterworfen zu sein wie alle anderen auch. Denn nicht nur die Könige unterliegen der Gnade Gottes, sondern auch der geringste Tagelöhner. Nicht nur der große Friedrich dient dem Staat, sondern auch der kleinste Dorfschullehrer. „Ich weiß, dass ich nicht mehr bin als ihr“, lautet der Kern dieses öffentlichen Bekenntnisses.

Was aber soll diese Demut frommen? Schließlich kann dieses Gehabe auch dem Zweck dienen, einem unfähigen Führer noch eine kärgliche moralische Legitimität zu verleihen. Und ist nicht etwa ein fähiger, aber unbescheidener Politiker einem unfähigen, aber demütigen Politiker vorzuziehen?

Vermutlich schon. Aber ist nicht andererseits eine bestimmte Art der Demut erst die Voraussetzung für dauerhaftes Gelingen? Die Art nämlich, die vor der Hybris des Erfolgs, vor fataler Selbstüberschätzung bewahrt. „Memento te hominem esse!“ wurde der siegreiche Feldherr im alten Rom gemahnt – „Denk daran, dass du nur ein Mensch bist!“

Und dies: In einer demokratischen Gesellschaft ist die Demut des Erfolgreichen immer auch ein Bekenntnis zu der Vorstellung von Gleichheit, die die Grundlage jeder freiheitlichen Gesellschaft ist. „Ja, ich bin groß und vornehm, aber ich erkenne an, dass den Jungen und den Dienern der gleiche Wert zukommt wie mir.“ Oder noch weitergehend: „Ich erkenne an, dass ich nicht hätte groß und vornehm werden können ohne das Zutun der Jungen und der Diener.“ Dann ist die Demut auch eine Anerkennung des Werts der Solidarität – und gewissermaßen eine Währung im innergesellschaftlichen Lastenausgleich. Die unauffällige Mehrheit der Gesellschaft ermöglicht es dem Einzelnen „groß“ und „vornehm“ zu werden und erhält dafür Anerkennung in Gestalt von Demut zurück.

Dies alles festigt die Wertgrundlage der Gesellschaft und macht es leichter, den Widerspruch zwischen Gleichheit und Prominenz zu ertragen.

Aber, wie gesagt, Demut steht nicht hoch im Kurs. Der moderne westliche Mensch bildet sich ein, seinen Stand im Leben nur sich selbst zu verdanken; allein an seinen Misserfolgen sind die Anderen schuld. Und wie die Könige im Jesus-Wort hält er sich schon für einen Wohltäter, wenn er Menschen, die es weniger gut getroffen haben, nur eben leben lässt.

Doch nein: Nicht nur der moderne Mensch. Schon das Alte Testament mahnt ja:
  
„Sage nicht etwa in deinen Gedanken: Meine Kraft und die Stärke meiner Faust haben mir diesen Erfolg verschafft, sondern gedenke des Herrn, deines Gottes: Er ist es, der dir Kraft verleiht, Reichtümer zu erwerben…“
Deuteronomium 8, 17-18

 

1 Kommentar

Linear

  • migrulo  
    Mangel an Demut - ein Schelm, wer dabei an den amtierenden deutschen Außenminister denkt

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