Thorsten Kleinschmidt, 29. Juli 2019
Die vier Jahrtausende berichteter Menschheitsgeschichte, auf die wir neulich durch das Raster runder Jahrestage zurückgeblickt haben, sind auch viertausend Jahre Geschichte von Imperien. Heute noch eine kleine Nutzanwendung für die EU, das Imperium neuen Typs.
Von Union und Imperium - Teil II
Empires rise, empires fall. Es lohnt, genauer hinzusehen. Manche Imperien entstehen durch Eroberung, andere durch Heiratspolitik, die besten durch freiwilligen Zusammenschluss und Interessenausgleich, oft unter dem Druck äußerer Mächte. Manche fallen durch Krieg gegen äußere Konkurrenten, andere gehen an inneren Widersprüchen zugrunde, wieder andere siechen aus wirtschaftlicher Schwäche allmählich dahin. Und oft ist es von allem etwas.
Ein Imperium ist die freiwillige oder erzwungene Einfügung ursprünglich eigenständiger politischer Entitäten in eine neue übergreifende, hierarchisch organisierte Machtstruktur. Die ursprünglichen politischen Gemeinschaften behalten dabei einen mehr oder weniger großen Teil ihres hergebrachten politischen Eigenlebens. Wenn diese Eigenständigkeit regionaler politischer Traditionen doch irgendwann verschwindet, ist das Imperium auf dem Weg zum Nationalstaat.
Wenn dies aber nicht geschieht, hängt die Überlebensfähigkeit des Imperiums wesentlich davon ab, wie effektiv der Interessenausgleich der politischen Entitäten untereinander und im Verhältnis zu den funktionalen Bedürfnissen des Gesamtimperiums ist. Wenn die Bestandteile ihre Interessen durch die imperiale Führung nicht gewährleistet sehen, bricht das Imperium irgendwann auseinander, wie das Reich Knuts des Großen oder die europäischen Kolonialreiche. Wenn die Regionen dem Reich nicht genügend Ressourcen für die Absicherung nach außen zur Verfügung stellen, geht es in Krieg und Konflikt unter, wie das Heilige Römische Reich oder die Polnisch-Litauische Union.
Untergehen kann es außerdem auch dann, wenn es sich ohne Not auf Kämpfe einlässt, bei denen es wenig gewinnen, aber alles verlieren kann. So scheiterte Österreich-Ungarn im Ersten Weltkrieg.
Damit sind die Herausforderungen der Europäischen Union umrissen. Die Union muss die Interessen der Mitgliedstaaten austarieren und effektive Leistungen für die Länder erbringen, ohne dabei deren politische Eigenständigkeit mehr zu beeinträchtigen als notwendig. Die Mitgliedsstaaten müssen bereit sein, die Union mit umfassenden außenpolitischen Kompetenzen und wirtschaftlichen Ressourcen auszustatten. Und die Union als Ganze darf sich nicht in weltpolitische Machtkämpfe verwickeln lassen, die sie nicht gewinnen kann.
Die EU als Imperium neuer Art. Ist Ihnen die Vorstellung unangenehm? Dann nennen Sie es „demokratisch kontrollierte Konföderation mit internationalem Gestaltungsanspruch“, denn das ist gemeint. „Imperium“ ist aber kürzer.
Mehr zur Vorstellung von der EU als einem Imperium:
Das Europa der zwei (?) Geschwindigkeiten oder das Heilige Europäische Reich
17. Dezember 2011
Krisenjahre: Kann Deutschland das Heilige Europäische Reich führen?
29.Dezember 2015
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