Vor 20 Jahren, am 25. Juni 1991, erklärten Slowenien und Kroatien einseitig ihre Unabhängigkeit von Jugoslawien. Am nächsten Tag marschierten starke Verbände der jugoslawischen Armee in Slowenien ein – die Jugoslawienkriege begannen. Bis 1999 kamen weit über 100.000 Menschen ums Leben. Über 20 europäische Staaten waren in irgendeiner Form militärisch beteiligt.

Wir Europäer leben im Jahr 12 nach Kriegsende. Aber wir tun so, als wären uns Friede, Freude und Eierkuchen bis in alle Ewigkeit garantiert. Halt, nein. Um die Eierkuchen, sprich: ums Geld, streiten wir uns wie die Fischweiber.

Eurokrise, Eurofrust – die politische Klasse diskutiert noch halbwegs vernunftgeleitet, wenn auch kurzatmig. Das Volk, von den Kanaren bis nach Karelien, schwelgt in alten Vorurteilen und fällt gerade neue, über faule Griechen und egomanische Deutsche, angeberische Franzosen und unzuverlässige Italiener, und über das Hirngespinst europäischer Solidarität. So als könnten wir es uns leisten, nicht solidarisch miteinander zu sein. Als bliebe es folgenlos, wenn wir uns nicht für die Anderen interessieren und nur unseren nationalen Tellerrand anstarren.

Ist denn Europa jetzt befriedet? Natürlich nicht. Dabei braucht man gar nicht auf die ungelösten Nationalitätenkonflikte im Kosovo und in der Republik Moldau zu verweisen. Wir erleben seit einiger Zeit eine Wiederauferstehung der sozialen Frage in Europa. Die Gegensätze zwischen Reich und Arm, Mächtig und Ohnmächtig werden gerade in Griechenland und nicht nur dort wieder auf der Straße ausgetragen. Die Frage, wer eigentlich von der gigantischen Staatsverschuldung in Europa am meisten profitiert hat, und wer nun die Zeche zahlen soll, ist geeignet, nationale Gesellschaften und ganz Europa dauerhaft in Lager zu spalten. Wir erinnern uns: Die soziale Frage des 19. Jahrhunderts hat uns im 20. Jahrhundert in den Abgrund des Totalitarismus getrieben. Zwar wiederholt sich Geschichte nicht, aber das ist nur deshalb so, weil der kreative Mensch sich immer neue Dummheiten auszudenken imstande ist.

Daher brauchen wir in Europa mehr Empathie und mehr Engagement, weniger Empörung und weniger Eigendünkel.

Wir leben im Jahr 12 nach Kriegsende. Aber sicher sind wir nicht. 


 

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