Wilhelm Grimm, gestorben am 16.12.1859
Über den Fremdwortwahn in der deutschen Sprache
„Aber gefährlich im höchsten Grade ist der Missbrauch, der in unserer Zeit alles Maß übersteigt; ich kann mich nicht stark genug dagegen ausdrücken. Alle Tore sperrt man auf, um die ausländischen Geschöpfe herdenweise einzutreiben. Das Korn unserer edlen Sprache liegt in Spreu und Wust: Wer die Schaufel hätte, um es über die Tenne zu werfen!"
"Wie oft habe ich ein wohlgebildetes Gesicht, ja die geistreichsten Züge von solchen Blattern entstellt gesehen. Öffnet man das erste Buch, ich sage nicht ein schlechtes, so schwirrt das Ungeziefer zahllos vor unseren Augen. Da liest man von „Amplifikationen, Kollektionen, Konstruktionen, Publikationen und Manipulationen“, da ist die Rede von „Divergenz, Retizenz, Omnipotenz, Kohärenz, Tendenz und Tendenzprozessen“, von „Lokalisierung“, von „nobler Natur“ und „prolifiquer Behandlung“, von „sozialen Konglomeraten“ oder von „futilem Raisonnement“. Die Verhältnisse sollen nicht zart, sie müssen „delikat“ sein; wir werden nicht bewegt, sondern „affiziert“: Das Leben versumpft nicht, es „stagniert“. Ungleichartig versteht niemand, aber gewiss „heterogen“: Das Jahrzehnt nimmt an Gewicht zu, wenn es „Dezennium“ heißt. Das alles ist auf wenigen Blättern zu finden, und immer bot die Muttersprache das natürlichste, eindringlichste Wort…
Es ekelt mich an, weitere Beispiele aufzusuchen. Diesen traurigen Verfall mag stumpfe Gleichgültigkeit gegen den hohen Wert der Sprache, die ein Volk noch zusammen hält, wenn andere Stützen brechen, mangelndes Gefühl von ihrer inneren Kraft, manchmal auch die Neigung, vornehmer zu scheinen, herbei geführt haben: Gewohnheit und Trägheit halten die Unsitte fest und lassen das Verderbnis immer weiter um sich greifen. Man weiß nicht mehr, dass man sündigt.“
Aus dem Bericht über das deutsche Wörterbuch (1847)
Michael Münch
"Wie oft habe ich ein wohlgebildetes Gesicht, ja die geistreichsten Züge von solchen Blattern entstellt gesehen. Öffnet man das erste Buch, ich sage nicht ein schlechtes, so schwirrt das Ungeziefer zahllos vor unseren Augen"
So geht s uns doch heute überall,im Fernsehen,oder in der Werbung.Das ist wirklich Traurig!!