Seit Inkrafttreten des Lissabon-Vertrags ist es ruhig um die Institutionen der EU geworden. Anscheinend hat sich wenig geändert. Von der erhofften neuen Einheitlichkeit der politischen Führung ist nichts zu sehen. Aber am Grunde der Moldau rollen die Steine… Der neue ständige Vorsitzende des Europäischen Rats Herman van Rompuy und die Hohe Vertreterin – vulgo: EU-Außenministerin – Catherine Ashton bohren dicke Bretter.

Van Rompuy schlägt sich wacker. Geschickt knüpft er ein Netz von Kontakten zu den Institutionen und schafft somit zuerst einmal seinen Handlungsspielraum. Mit der Hohen Kommissarin und dem Kommissionspräsidenten arbeitet er gut zusammen; zum Parlament hält er ständigen Kontakt; mit der rotierenden Ratspräsidentschaft gab es leichte Reibungen. Sein Wirken zielt offensichtlich darauf ab, seinem Europäischen Rat mehr Einfluss auf die Tagespolitik der Union zu verschaffen. Es war sicher keine schlechte Idee, einen Belgier auf diesen Posten zu berufen, ist doch das Gefüge der offiziellen und inoffiziellen Institutionen in der belgischen Politik nicht weniger vertrackt als in der EU.

Catherine Ashton hat alle Hände voll zu tun, all die Fäden aufzugreifen und zusammenzuführen, die diejenigen, die sie institutionell beerbt hat, fallen ließen: die EU-Außenkommissarin Ferrero-Waldner, der Hohe Repräsentant Solana, die rotierende Ratspräsidentschaft (derzeit Spanien). Gleichzeitig baut sie den europäischen Auswärtigen Dienst auf, der längst die Begehrlichkeiten der diversen Institutionen geweckt hat: Kommission, Parlament, Rat möchten so viel Einfluss wie möglich auf den Dienst bekommen. Ashton kämpft derzeit noch um ihren Apparat und ihren Freiraum; für operative Außenpolitik bleibt wenig Zeit und Energie übrig, was ihr heftige Kritik eingetragen hat.

Viel Hauen und Stechen hinter den Kulissen also. Das war nicht anders zu erwarten und ist politische Normalität. Politik ist die Organisation des sozialen Miteinanders, und zuallererst müssen politische Institutionen einmal sich selbst organisieren. Das darf nur nicht zu lange dauern.

    
Lektüren

 „Willkommen in der Lissabonner Wirklichkeit“ ; Analyse von Daniela Kietz und Nicolai von Ondarza – Stiftung Wissenschaft und Politik (Pdf-Dokument)

„Tauziehen um Europäischen Diplomatendienst“ auf EurActiv

„Ashton: „oui, je peux changer““ auf Coulisses de Bruxelles (Jean Quatremer)

„Drei EU-Kommissare als Stellvertreter Ashtons“ auf EurActiv

Und als Beispiel für die teilweise sehr wohlfeile Kritik an van Rompuy und Ashton:
„Europas schwaches Duo“ – Anja Ingenrieth auf RP Online

 

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