Bürgerkrieg in Deutschland, Berlin 1919



Die Explosionen von Paris haben auch in unseren Köpfen Verwüstungen angerichtet. Allmählich legt sich der Staub, sodass wir anfangen können, unsere Gedanken aufzuräumen.

Nachdem am Freitag, dem 13. November 2015, in Paris 129 Menschen von Massenmördern getötet wurden, sieht Frankreich sich im Krieg. Der Feind ist der selbsternannte „Islamische Staat“, dessen Schergen nach ungezählten Verbrechen im Irak und in Syrien nun auch in Europa morden. Es war dies natürlich nur eine Frage der Zeit. Frankreich – und andere europäische Staaten – bombardieren den „IS“ in seiner Heimatregion schließlich schon seit September letzten Jahres, wofür es gute Gründe gab und gibt.  Der Krieg währt also schon über ein Jahr und hat nun Europa erreicht.

Der Angriff von Paris galt nicht nur Frankreich, sondern auch Deutschland, wurde doch ein Fußballspiel mit Beteiligung der deutschen Nationalmannschaft und mit vielen Zuschauern aus Deutschland als Ziel ausgewählt. Auch wird im Bekennerschreiben des „IS“ Deutschland ausdrücklich als „Kreuzzüglernation“ hervorgehoben.

Sind wir also auch „im Krieg“?  Viele scheuen vor dieser Formulierung zurück, da sie schlimme Assoziationen auslöst. Tatsächlich sollte man mit dem Wort „Krieg“ nicht leichtfertig umgehen, denn: Wer anderen den Krieg erklärt, der muss auch kämpfen und gewinnen wollen. Um diesen Willen ist es nicht überall in Deutschland gut bestellt.

Die Diskussion in Deutschland zwischen Eisenfressern und Vogel-Strauß-Taktikern lässt die meisten Menschen ratlos zurück. „Jetzt müssen wir diesen Muselmanen klar machen, wo der Hammer hängt – auf nach Syrien!“ oder vielleicht doch eher: „Gewalt mit Gegengewalt zu beantworten verträgt sich aber nicht mit unseren Werten. Am besten tun wir... nichts“ - ist das unsere Wahl? Das wäre schlimm, denn beides ist falsch. Man wird islamistischem Terror in Europas Innenstädten nicht dadurch beikommen, dass man Panzer und Haubitzen in die syrische Wüste schickt – die Mörder sind unter uns, und sie sind Europäer. Auf der anderen Seite ist auch der reflexhafte Pazifismus eine heillose Sache: Als ob nicht gerade die Bereitschaft, für die Freiheit zu kämpfen, ein kerneuropäischer Wert wäre. Die politischen Ideale dieses Kontinents wurden jedenfalls nicht in Schreibstuben und Talkshows, sondern auf Schlachtfeldern und Barrikaden durchgesetzt.

Was also sollen wir tun?

Um das zu entscheiden, müssen wir uns klar machen, worin die Gefahr des Terrorismus für uns eigentlich besteht.

Die Terroristen sind für unsere Gesellschaft nicht deshalb gefährlich, weil sie immer wieder einmal Menschen ermorden – mal 10, mal 100, diesmal noch mehr. So katastrophal diese Taten für die Opfer und deren Angehörige sind, stellen sie für die Gesellschaft als Ganze doch nur Nadelstiche dar. Auch nach Paris ist die Gefahr, Opfer eines Terroranschlags zu werden, nicht größer als das Risiko, mit dem Flugzeug abzustürzen.

Daher wird der „IS“ auch nicht das Abendland unterwerfen. Wenn das, was diese Mordgesellen hier veranstalten, ein Eroberungskrieg nach altislamischem Vorbild sein soll, dann ist es der jämmerlichste Eroberungskrieg aller Zeiten. Die Krieger der alten Kalifen jedenfalls haben ab und zu mal eine Schlacht gewonnen – Selbstmörder und Propagandafilmchen werden Europa nicht besiegen.

Nein, die eigentliche Gefahr, die vom Terror ausgeht, ist eine andere:

Das strategische Ziel des Terrorismus ist letztlich der Bürgerkrieg. Der Terrorist ist ein Provokateur: Er will den Staat und die Mehrheitsgesellschaft dazu verleiten, die Menschengruppe, für die der Terrorist zu stehen behauptet, anzugreifen. Die Strategen des „IS“ hoffen, dass die Gesellschaften Europas mit Gegenterror reagieren -  mit Terror gegen friedliche europäische Muslime. Das wiederum soll die muslimischen Europäer dazu bewegen, sich dem bewaffneten „Kampf“ des „IS“ anzuschließen. Aus terroristischen Nadelstichen würde ein ausgewachsener Bürgerkrieg.  (Zu diesem Thema haben wir HIER schon einmal mehr geschrieben.)

Diese Gefahr ist alles andere als ein Hirngespinst. Man stelle sich einmal vor, in Berlin gäbe es einen Anschlag wie in Paris. Man braucht nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, wie die gefährlichen Wirrköpfe, die in den letzten Wochen leerstehende Asylbewerberheime angezündet haben, reagieren würden: In Deutschland würden Moscheen brennen. Als nächstes dürften einheimische Salafisten sich bewaffnen, um Anschläge auf PEGIDA-Demonstrationen zu verüben. Den Fortgang dieser Geschichte kann man sich gar nicht düster genug ausmalen.

Bürgerkrieg also – darum geht es; dies ist es, was es zu verhindern gilt.

Was muss nun unser vorrangiges Ziel gegen die Bedrohung durch den IS sein?

Nicht, den IS mit seinen Wurzeln auszurotten, denn dazu haben wir nicht die Macht. Wir könnten ihn wohl in seiner Heimat militärisch besiegen, als terroristische Kraft bliebe er aber bestehen, bis die seinem Enstehen zugrundeliegenden Probleme gelöst sind. Zu solch einer Lösung können und sollen wir beitragen; dies wird aber Jahrzehnte dauern – so viel Zeit haben wir nicht.

Wir müssen vielmehr zuvörderst den Bürgerkrieg in Deutschland und Europa verhindern.
Wie? Durch Polizeiarbeit. Durch Solidarität. Durch Integration im weitesten Sinne.
(Mehr dazu HIER)

Und vielleicht doch auch durch militärische Intervention im Nahen Osten - nicht, weil das das Problem lösen würde, sondern um die hysterischen Gemüter potenzieller Moscheen-Anzünder in Europa zu beruhigen. Um zu verhindern, dass Wirrköpfe zur „Selbstjustiz“ greifen, muss der Staat mit kühlem Kalkül wohl manchmal auch Rachefantasien befriedigen. Das ist der Sinn der Luftangriffe, die Frankreich jetzt verstärkt. Ja, dass wird vielleicht den Terroristen in ihrer Heimatregion weitere Sympathisanten zuführen. Andererseits wird ein „IS“, der sein Territorium nicht verteidigen kann, als „Loser“-Organisation für desorientierte Jugendliche in Europa auch weniger attraktiv. In jedem Fall ist Terrorismus in Europa immer noch besser als Bürgerkrieg in Europa.

Ist das zynisch? Nein, nur desillusioniert. Und natürlich gefährlich. Aber ungefährliche Wahlmöglichkeiten gibt es nicht mehr.


Bild oben: Alfred Grohs (Scan vom Original: Bernd Schwabe in Hannover) [CC BY 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by/3.0)], via Wikimedia Commons

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