Heute nur ein Literaturhinweis. In der aktuellen APuZ wird die Ausrichtung der deutschen Außenpolitik diskutiert.

Eberhard Sandschneider knöpft sich das Dogma der „Kontinuität der deutschen Außenpolitik“ vor und stellt die These in den Raum, dass in einer Zeit rasanten Wandels „außenpolitische Kontinuität“ keine Tugend, sondern ein Zeichen für Inflexibilität sei. Kritikwürdig findet er vor allem folgende Traditionen: die demonstrative „Wertegeleitetheit“ deutscher Außenpolitik, die starre transatlantische Ausrichtung und den reflexhaften Multilateralismus. Starke Worte.

Ulrike Guérot fragt, ob Deutschland sich allmählich vom „Westen“ abwendet und stattdessen sein Heil im „Osten“ sehen möchte; in der Rolle einer unabhängigen Großmacht, die gemeinsame Interessen mit Russland und China verfolgt. Sie erkennt tatsächlich solche Tendenzen und hält das Interesse der deutschen Eliten am Osten auch prinzipiell für natürlich und legitim. Deutschland sei allerdings in Politik und Wirtschaft unlösbar mit seiner europäischen Nachbarschaft verquickt und könne sich daher de facto aus dem Westen nicht lösen, ohne sich selbst den Boden unter den Füßen zu entziehen. Guérot plädiert daher für eine deutsche Führungsrolle in der EU: Wenn Deutschland eine wichtige Rolle in der globalisierten Welt spielen will, muss es Europas Ressourcen bündeln und gemeinsamen weltpolitischen Zielen nutzbar machen. Die deutsche Westbindung im 20. Jahrhundert sei fremdbestimmt gewesen; nun müsse Deutschland zu einer selbstbestimmten Westbindung gelangen.

  
Auch die anderen Beiträge der Ausgabe sind unbedingt lesenswert. Wir gewannen bei der Lektüre des Hefts insgesamt den Eindruck, dass unter dem Druck der internationalen Umstände – Eurokrise, arabischer Frühling, Afghanistan –  jetzt doch eine Debatte endlich in Gang kommt, die wir schon vor fünfzehn Jahren hätten führen sollen.

Dann hätte die Eurozone vielleicht von Anfang an eine Art Wirtschaftsregierung gehabt; dann stünden jetzt vermutlich keine deutschen Soldaten in Afghanistan; dann gäbe es möglicherweise ein französisch-britisch-deutsches Direktorium, dass sich um eine europäische Außen- und Sicherheitspolitik verdient machte, die diesen Namen verdient.

Aber wer weiß.

 
   

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