Die Wahl ist vorbei. Das Steuer der deutschen Staatsschaluppe bleibt in den Händen von Angela Merkel, aber der zweite Steuermann wird wechseln. Anlass für uns, noch einmal auf die außenpolitischen Positionen der FDP zu schauen.

Gleich am Anfang der außenpolitischen Erläuterungen auf den FDP-Seiten lesen wir: „Die Weltwirtschaftskrise und aktuelle Konflikte zeigen die dringende Notwendigkeit zu Kurskorrektur und verstärkter globaler Kooperation“. Kurskorrektur also – in welche Richtung?

 

„Aufstrebende Mächte wie Brasilien, Russland, Indien und China“ möchte man stärker einbinden. Die westliche Staatenwelt soll durch enge Kooperation wieder politisch gestaltungsfähig werden. Gegenüber dem Iran setzt man auf „eine neue diplomatische Offensive“ – im Kielwasser Obamas. Man befürwortet das internationale Engagement in Afghanistan, fordert aber „mehr Anstrengung“ beim Aufbau der afghanischen Staatsstrukturen und beim zivilen Wiederaufbau.

Das haben wir so oder ähnlich in den letzten vier Jahren aus den anderen Parteien – mit Ausnahme der Linken – auch gehört. Und zwar ohne dass viel passiert wäre.

Für den Nahen Osten schlägt die FDP einen Prozess analog dem der KSZE in Europa vor. Und Deutschland soll dazu die Initiative ergreifen, zunächst einmal innerhalb der EU. Das immerhin klingt interessant – vor allem der zweite Teil: Eine aktive, kreative deutsche Nahost-Politik: Das wäre wirklich eine Kurskorrektur.

Was fällt sonst noch auf, was auf eine „Kurskorrektur“ hindeuten könnte?

Die FDP möchte die letzten US-Atomwaffen auf deutschem Boden abziehen lassen. Schwieriger: Deutschland soll die offiziellen Kernwaffenstaaten zur Abrüstung drängen und das Projekt einer Multilateralisierung des nuklearen Brennstoffkreislaufs vorantreiben. Insgesamt soll das Thema Abrüstung ein Schwerpunkt deutscher Außenpolitik sein.

Die FDP will, dass Deutschland „stärkere eigene sicherheitspolitische Fähigkeiten“ aufbaut, und dafür Sorge tragen, „dass der deutsche Wehretat nicht Schlusslicht in Europa bleibt“. (Parteitagsbeschluss zum Transatlantisches Verhältnis von 2004 – da heute noch unter den zentralen außenpolitischen Dokumenten aufgeführt, wohl immer noch gültig)

In seiner außenpolitischen Grundsatzrede vor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik hat Guido Westerwelle sich gegen jede Form von „Achsenbildung“ in der EU ausgesprochen. Deutschland müsse vielmehr auch die Interessen der kleineren Mitgliedstaaten im Blick behalten.

Gleichzeitig bekennt er sich dazu, „das nationale Interesse zum Maßstab deutscher Europapolitik zu machen“. Denn: „Was sollten wir denn sonst zum Maßstab machen? ... Deutsche Außenpolitik muss werteorientiert und interessengeleitet sein.“ Die EU interpretiert er als den „Ausdruck des Willens der Europäerinnen und Europäer zur Selbstbehauptung im weltweiten Wettbewerb um Werte und Einfluss“; er plädiert denn auch für eine „starke, einige und selbstbewusste EU“. Dies alles hat man so deutlich nicht oft aus dem Mund eines deutschen Politikers gehört.

Westerwelle möchte die Reform und Weiterentwicklung der EU fortsetzen und kann sich hier auch ein Modell mit Ländergruppen verschiedener Integrationsgeschwindigkeit vorstellen.

Sehr viel anderes in Parteidokumenten und Westerwelles Reden bewegt sich in der Hauptströmung bundesdeutschen außenpolitischen Denkens seit den 60er Jahren. Multilateralismus – transatlantische Ausrichtung – europäische Integration – Werteorientierung.

Eine drastische Kurskorrektur deutet sich sicher nicht an. Auffällig sind ein paar nationale Akzente und die Bereitschaft, sich in der Frage der nuklearen Abrüstung unabhängig von den einstigen politischen Vormündern USA, Frankreich und Großbritannien zu positionieren. Einige Aussagen zur EU – die Union als Instrument nationalen Interesses und Ausdruck globalen Selbstbehauptungswillens – klingen beinahe gaullistisch.

Insgesamt sieht das durchaus nach Fortsetzung einer zuerst unter Rot-Grün sichtbar gewordenen Entwicklung aus: des Trends zur weiteren Emanzipation deutscher Außenpolitiker von einer klientelistischen Mentalität, die weitreichende Entscheidungen gerne in Anlehnung an und nach Maßgabe von vermeintlichen „Vormächten“ traf.

Die Zeit wird es weisen.


„Außenpolitik“ auf den Seiten der FDP

Rede Guido Westerwelles vor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik am 4. Mai 2009 
  
  

 

 

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