Afghanistan. Erstmals wird dieser Tage so etwas wie eine deutsche Strategie für den deutschen Verantwortungsbereich am Hindukusch veröffentlicht. Gut acht Jahre nach Kriegsanfang. Nun ja.

Der zu oft zitierte und zu wenig gelesene Clausewitz rät uns, drei Fragen zu klären, bevor wir in einen Krieg eintreten.
1. Welchen politischen Zweck wollen wir mit dem Krieg erreichen?
2. Welche militärischen Ziele müssen wir anpeilen, um diesen politischen Zweck zu erreichen?
3. Welche militärischen Mittel müssen wir einsetzen, um diese militärischen Ziele erreichen zu können?

Wir wollen uns heute einmal an Frage 1 versuchen und stellen fest, dass es gute und schlechte Gründe für den deutschen Militäreinsatz in Afghanistan gibt.

Gute Gründe…

1. Deutschland ist daran interessiert, den islamistischen Terroristen, die Anschläge in der westlichen Welt verübt und solche in Deutschland geplant haben, einen bisherigen Rückzugsraum dauerhaft zu entziehen. Es ist auch daran interessiert, dass andere mit Terroristen sympathisierende Regime davon abgeschreckt werden, diesen nun neue Rückzugsräume zu gewähren.

2. Deutschland ist daran interessiert, eine Destabilisierung der Nuklearmacht Pakistan zu verhindern, wie sie im Gefolge eines Abzugs der westlichen Truppen aus Afghanistan eintreten könnte. Sollte Afghanistan entweder wieder im Chaos versinken oder aber wieder eine islamistische Regierung bekommen, hätten islamistische Kräfte, die in Pakistan aktiv sind, einen idealen Rückzugs- und Rekrutierungsraum; von moralischem Rückenwind ganz zu schweigen.

3. Deutschland ist daran interessiert, die NATO als funktionsfähiges Bündnis zu erhalten und sollte seine Truppen daher nicht einseitig abziehen. Ein solcher Verfall der Bündnissolidarität vor aller Augen hätte schwerwiegende Auswirkungen für die Substanz des Bündnisses. Das Vertrauen in wechselseitige Hilfe im Krisenfall wäre dahin, soweit es denn überhaupt noch besteht. Damit verlöre das Bündnis ein Gutteil seiner Abschreckungswirkung. Und Deutschland fiele irgendwann die Rolle zu, Russland in Osteuropa auszubalancieren.

4. Deutschland ist daran interessiert, einen gewissen Einfluss auf die Führung des amerikanischen „War on Terror“ zu behalten. Dies war 2001 einer der Hauptgründe für Deutschlands Beteiligung am Krieg. Heute machen wir uns zwar keine Illusionen mehr über die Bereitschaft der Amerikaner, sich in ihre Entscheidungen hineinreden zu lassen. Trotzdem bringt die bloße Präsenz einen gewissen Einfluss auf den Gang der Dinge: Die USA können nicht die Planierraupe einsetzen, solange deutsche Truppen im Weg stehen. Jedenfalls nicht ohne vorherige Konsultationen…


…und schlechte Gründe

1. Deutschland wünscht sich, dass die afghanische Bevölkerung die Menschenrechte in gleichem Maße genießen kann wie etwa die Menschen in Europa. Das ist ein schöner Wunsch, der aber nicht den Einsatz deutscher Truppen rechtfertigen kann. Es sind der Menschenrechtsverletzungen auf der Welt zu viele, als dass wir immer gleich eine Heeresbrigade entsenden könnten. Die ganze Welt zu retten, übersteigt Deutschlands Kräfte. Was sollen wir in Afghanistan, wenn wir nicht einmal die Minderheiten im Kosovo schützen können? Die uns wahrlich mehr angehen, haben wir deren Probleme doch mitverursacht.

2. Deutschland wünscht sich, dass Afghanistan politisch und wirtschaftlich prosperiert. Auch dies ist ein schöner Wunsch; auch dies aber kann keine Entsendung deutscher Truppen rechtfertigen. Ein fernes Land aufzubauen und ihm zu einem Wirtschaftswunder zu verhelfen überfordert uns gewaltig. Nach dem „Aufbau Ost“ nun der „Aufbau Mittelost“?  Herr im Himmel! Wir schicken doch auch keine Bundeswehrpioniere zum Straßenbau nach Bolivien.

3. Deutschland wünscht sich, dass in Afghanistan keine Drogen mehr produziert werden. Kann dies aber mit ein paar tausend Soldaten unmöglich verhindern. Erneut eine Aufgabe, die unsere Kräfte weit übersteigt, weswegen es unsinnig wäre, damit einen Bundeswehreinsatz rechtfertigen zu wollen.

Natürlich:  Wenn man sich aus anderen Gründen für den Verbleib der Truppen ausspricht, können und sollen Menschenrechte und Entwicklung ein Instrument sein, um Deutschlands eigentliche strategische Ziele am Hindukusch zu erreichen. Aber sie sind eben nur Mittel zum Zweck.

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Was machen wir daraus? Sind die guten Gründe gut genug?

Demnächst in diesem Theater: Gute und schlechte Gründe für einen schnellen Abzug aus Afghanistan.

 

 

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