Wie es aussieht, wird der Vertrag von Lissabon wohl doch nicht das Schicksal der europäischen Verfassung teilen . Und längst ist der Kampf um die nun zu besetzenden europäischen Topjobs entbrannt – um die Stelle des Präsidenten des Europäischen Rats und um den Posten des Hohen Vertreters für Außen- und Sicherheitspolitik.

Wichtiger als die Personalien ist die Frage nach dem institutionellen Gewicht dieser Positionen. Und hier könnte zumindest Europas führender Außenpolitiker eine beachtliche Hausmacht erhalten – in Gestalt des neuen Diplomatischen Dienstes der EU.  Wie der aussehen könnte, hat die schwedische Ratspräsidentschaft in einem Papier vorgeschlagen, das heute vom Europäischen Rat gutgeheißen wurde. Es handelt sich vorerst noch um Empfehlungen...

Bei Nicolas Gros-Verheyde finden wir schon seit Anfang der Woche Details des Konzepts. Auch Euractiv hat schon davon berichtet.

Demnach soll der Europäische Auswärtige Dienst vor allem dem europäischen Außenminister, aber auch dem Präsidenten und der EU-Kommission zuarbeiten. Thematisch wird er fast alle Bereiche der EU-Außenbeziehungen abdecken – Erweiterungs-, Handels- und Entwicklungspolitik bleiben allerdings in den Händen des Apparats der EU-Kommission.

Der Diplomatische Dienst soll prinzipiell unabhängig von Kommission und Ministerrat sein; er erhält sein eigenes Budget und wählt sein Personal selbst aus. Geführt wird er durch den europäischen Außenminister. Nichtsdestotrotz wird er auf einige Dienste der Kommission oder des Rats zurückgreifen müssen; so etwa auf den juristischen Dienst oder den Übersetzungsdienst. Auch wird die Höhe des Budgets der Diplomaten im Rahmen des normalen Haushaltsverfahrens natürlich von Kommission und Rat festgesetzt. Ganz davon zu schweigen, dass Gelder für die Umsetzung außenpolitischer Strategien – Entwicklungshilfe, Finanzierung von Militärmissionen u.ä. – weiterhin bei der Kommission locker gemacht werden müssen.

Um effizientes Krisenmanagement zu gewährleisten, soll der Dienst eng mit dem zivilen Krisenstab und dem Militärstab der EU sowie mit dem Lagezentrum des EU-Rats zusammenarbeiten.

Das Personal soll drei Quellen entstammen: dem Sekretariat des Ministerrats, der Kommission und den Mitgliedsstaaten. Angestrebt ist mittelfristig eine systematische Personalrotation mit diesen Institutionen, die wohl zu einem Zusammenwachsen der diversen außenpolitischen Pole der Union beitragen soll.

Im November soll nun zunächst der Hohe Vertreter für Außenpolitik in Person nominiert werden. Bis zum März 2010 soll dieser dann konkretere Vorschläge zur Ausgestaltung des Diplomatischen Diensts machen.

Widerspruch kam bereits aus dem Europäischen Parlament. Dort will man den Diplomatischen Dienst innerhalb der Kommission ansiedeln, damit er wie diese durch das Parlament kontrollierbar ist.

 


Die EU-Diplomaten und ihr Chef werden es nicht leicht haben.

EU-intern werden Sie zunächst einmal um ihre Kompetenzen streiten müssen. Kommission, Rat und Parlament werden trotz aller rhetorischen Unterstützung versucht sein, den Außenpolitikern mit einem seidenen Band die Hände zu binden und sie für jeweils eigene institutionelle Interessen einzuspannen. Die nationalen Außenpolitiker in den Hauptstädten der Mitgliedsstaaten werden die EU-Kollegen nur solange unterstützen, wie diese nationalen Interessen nicht in die Quere kommen.

EU-extern werden sich die begrenzten Machtressourcen der EU-Diplomatie schnell herumsprechen. Wenn er irgendetwas Substanzielles zu Stande bringen soll, braucht Europas oberster Außenpolitiker unbedingt den festen Rückhalt zumindest des Kommissionschefs und des neuen Präsidenten des Europäischen Rats. Am besten darüber hinaus den Rückhalt der öffentlichen Meinung in Europa. Dies wird interessant zu beobachten sein: Kann die neue, stärker profilierte Führungsspitze der Union mehr europäische mediale Aufmerksamkeit auf sich ziehen und mehr Unterstützung mobilisieren, als das bei der bisherigen zerfransten Führung der Fall war? Nur dann hätte sie wohl eine Chance, den nationalen Außenpolitikern Paroli zu bieten und eigene Gestaltungsmöglichkeiten abzutrotzen. Eine Telefonnummer nach außen, ein medienwirksames Gesicht nach innen.

Aber wir reden und reden, und Tschechien hat den Vertrag immer noch nicht ratifiziert.

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