Die Briten werden die Europäische Union verlassen. Jetzt geht es hoch her, auf der Insel wie in Brüssel und den anderen europäischen Hauptstädten. Statt uns nun auch ins Getümmel zu stürzen und mit Lügen, unbewiesenen Behauptungen und Beleidigungen um uns zu schlagen, wollen wir uns auf ein paar leidlich nüchterne Überlegungen beschränken.

  1. Die Briten haben entschieden, nicht länger Mitglied der Europäischen Union sein zu wollen. Das ist ihr gutes Recht. Alle Beschimpfungen verbieten sich hier.

  2. 27 andere Staaten werden in der EU bleiben. Und dies ist ihr gutes Recht. Deshalb verbitten wir uns auch unsererseits Beschimpfungen durch hormonell fehlgesteuerte britische Nationalisten.

  3. Die EU und Großbritannien werden bald geschiedene Leute sein. Da empfiehlt es sich, wieder einen respektvollen und höflichen Umgang miteinander einzuüben.

    Es ist keine gute Idee, wenn siegestrunkene Brexiteers lauthals verkünden, als nächstes die ganze EU zerstören zu wollen. Liebe englische Patrioten, wenn ihr die Union verlasst, dann geht sie euch auch nichts mehr an. Ob und wie wir die EU reformieren, ob wir sie auflösen, sie in "Phantasien" umbenennen oder ihr eine neue Flagge mit zwölf Totenköpfen verpassen - das entscheiden wir von nun an ohne euch. Bevor ihr also das nächste Mal den Europeans auf dem Continent die Pest an den Hals wünscht, denkt daran, dass ihr auch in Zukunft noch mit uns auskommen müsst.

    Genauso wenig steht es beleidigten Berufseuropäern gut zu Gesicht, in patzigem Trotz ihre Rachegelüste vorzuführen. Liebe Europapolitiker, wenn ihr in den vergangenen 25 Jahren nicht reflexhaft jede noch so kleine Gelegenheit ergriffen hättet, Entscheidungen oft ohne Sinn und Verstand an euch zu ziehen, dann könnten wir uns heute in Ruhe auf die nächsten Spiele der Fußball-EM freuen.

  4. Als nächstes werden nun die Austrittskonditionen verhandelt. Wir in Deutschland - und in den anderen Ländern auf dem Kontinent - dürfen als EU-Bürger verlangen, dass die EU-Kommission unsere Interessen gegenüber der britischen Regierung gut vertritt. Wir haben keinen Grund, den Briten etwas zu schenken.

  5. Für Deutschland bleibt die Europäische Union lebenswichtig. Die Gründe wurden hier schon oft dargelegt. (Zum Beispiel hier.) Wer der EU schadet, schadet Deutschland.

  6. Sollten britische Politiker versuchen, die Stabilität der EU von außen zu unterminieren, etwa durch wirksame Unterstützung rechter Populisten auf dem Kontinent, würde Großbritannien für Deutschland zu einem Sicherheitsproblem, und damit zu einem politischen Gegner.

  7. Die Europäische Union ist seit längerem in einem schlechten Zustand. Ihr Verfassungsgefüge wird den Herausforderungen der Gegenwart nicht mehr gerecht. Die EU braucht dringend eine Reform an Haupt und Gliedern. Die muss jetzt kommen.


Die Reform der Europäischen Union ist jetzt die wichtigste Aufgabe der deutschen Außenpolitik - wichtiger als die Eindämmung Russlands, wichtiger als die Befriedung des Nahen Ostens, wichtiger als Flüchtlingsabkommen mit der Türkei und Libyen.


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