Wir beginnen dieses Unternehmen im 61. Jahr der Bundesrepublik Deutschland. Im 61. Jahr der deutschen Demokratie, wie manche sagen. Und wir freuen uns nach Gebühr. „Bundes-Republik Deutschland“ – die drei Bestandteile unseres Staatsnamens stehen für Föderalismus, Demokratie und den Lebens- und Traditionszusammenhang des deutschen Kulturraums. Sie beschwören eine Wertegemeinschaft, der wir uns zugehörig fühlen und die wir ein wenig mitbeschwören möchten. 

Aber 60 Jahre sind uns als historischer Horizont entschieden zu wenig. Nur „60 Jahre deutsche Demokratie“? Oder gar nur „60 Jahre Deutschland“? Unser Gedächtnis reicht ein bisschen weiter zurück.

Daten, über die wir uns freuen: 

   

800    
Karl der Große wird zum ersten mittelalterlichen Kaiser gekrönt und zum Inspirator paneuropäischer Phantasien durch die Jahrhunderte.

962    
Die Kaiserkrönung Ottos des Großen steht für die Festigung eines deutschen Staatswesens im Rahmen eines größeren, übernationalen politischen Gebildes.

1200-1300
In deutschen Städten entsteht eine spezifische Form der Selbstverwaltung, die für Mittel- und Osteuropa vorbildlich wird. Stadtluft macht ab jetzt frei.

1356  
Die Goldene Bulle ist eine Keimzelle des deutschen Föderalismus. Sie kodifiziert eine vertikale Gewaltenteilung, in der das Staatsoberhaupt – der Kaiser – gewählt werden und die Autonomie der großen Territorien respektieren muss. Zwar hat die durch die Schwächung des Kaisers bedingte Kleinstaaterei in Deutschland später manches Unheil bewirkt – aber das hat der Zentralismus in anderen Ländern auch.

1495  
Mit dem Reichskammergericht entsteht ein unabhängiges oberstes Gericht, das auch von Untertanen angerufen werden kann.

1525  
Bauernkrieg: Die Zwölf Artikel der schwäbischen Bauern formulieren erstmals fundamentale Freiheitsrechte.

1663  
Mit dem Immerwährenden Reichstag in Regensburg entsteht das erste ständig tagende gesamtdeutsche Parlament – eine Vertretung der Territorien, der Vorläufer des Bundesrats.

Ab 1777
Aufhebung der Leibeigenschaft in den deutschen Staaten

Ab 1781
Durchsetzung der Gleichheit vor dem Gesetz in den deutschen Staaten

1793  
In der Mainzer Republik wird erstmals in Deutschland ein auch nach heutigen Maßstäben demokratisches Parlament gewählt.

1798  
In Baden entsteht der erste Entwurf einer demokratischen gesamtdeutschen Verfassung.

1808  
Die preußische Städteordnung legt den Grund für die moderne kommunale Selbstverwaltung und die Demokratie auf lokaler Ebene

1813-1815
Die Befreiungskriege gegen das imperialistische Frankreich Napoleons begründen eine demokratische Nationalbewegung.

1814  
Das Land Nassau gibt sich als erstes deutsches Land eine Repräsentativverfassung.

1830  
Die Revolution erzwingt Verfassungen für weitere deutsche Länder.

1848  
Die revolutionäre Nationalversammlung in der Paulskirche erarbeitet die erste demokratisch legitimierte gesamtdeutsche Verfassung. Gleichzeitig ist die Nationalversammlung das erste gesamtdeutsche demokratische Parlament. Die neu gegründete Reichsflotte ist die erste demokratisch kontrollierte gesamtdeutsche Streitmacht.
Zwar scheitert das Projekt eines demokratischen deutschen Nationalstaats noch, aber die preußische Krone muss sich die Ziele der Nationalbewegung nun nolens volens selbst zu eigen machen.

1871  
Die Gründung des Deutschen Reiches schafft einen föderativen, konstitutionellen deutschen Nationalstaat – mit unvollkommener Gewaltenteilung, aber fortschrittlichem Wahlrecht und Rechtssystem.

1883-1889
Mit Krankenversicherung, Unfallversicherung und Altersversicherung entstehen in Deutschland die ersten modernen Sozialversicherungen der Welt.

1918  
Einführung zunächst der parlamentarischen Monarchie, sodann nach der Revolution der parlamentarischen Republik

1919  
Die Weimarer Reichsverfassung ist die erste deutsche volldemokratische Verfassung, die wirksam wird.

1927  
Einführung der Arbeitslosenversicherung

1945  
Nach der NS-Diktatur Wiedererrichtung der demokratischen Ordnung in den deutschen Ländern

1949  
Gründung der Bundesrepublik Deutschland, der zweiten demokratischen Republik mit gesamtdeutschem Anspruch

1952  
Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl: Die Bundesrepublik beteiligt sich am Projekt der europäischen Integration.

1989  
Die Revolution in der DDR schafft in ganz Deutschland wieder demokratische Verhältnisse.

1990  
Wiedererstehung des deutschen Nationalstaats

1993  
Deutschland beteiligt sich an der Gründung der Europäischen Union.
     

  
Vielleicht erstellen wir irgendwann auch einmal eine Liste mit Daten, über die wir uns nicht freuen… Aber wohl eher nicht.

 
   

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