Amerikanische Spezialkräfte töten Osama bin Laden; eine NATO-Rakete verfehlt Muammar al-Gaddafi, stattdessen sterben Familienangehörige, darunter drei Kinder im Alter zwischen sechs Monaten und zwei Jahren.

Ist es legitim, den Anführer der gegnerischen Seite im Krieg zu töten? Natürlich, wenn man von der Legitimität des Krieges überzeugt ist. Tatsächlich ist es so naheliegend wie vielversprechend die Person ins Visier zu nehmen, deren Wollen und Wirken hauptsächlich für den Ausbruch des Krieges verantwortlich ist.  Hier trifft der Krieg den Richtigen – ausnahmsweise. Anschließend öffnet sich für beide Kriegsparteien ein Fenster der Gelegenheit: Die Gefolgsleute des getöteten Führers haben die Chance, sich von Kriegszielen und Kriegsführung zu distanzieren; die Führer der anderen Seite haben die Möglichkeit, aus einer Position bewiesener Stärke ein Verhandlungsangebot zu machen, ohne als Beschwichtigungspolitiker zu erscheinen.

Was aber, wenn der Schuss danebengeht?

 
Dann hat man wider Willen zu einer weiteren Eskalation des Kriegs beigetragen. Der angegriffene Führer ahnt spätestens jetzt, dass er eine Niederlage wohl nicht überleben würde. Und kämpft nunmehr nicht mehr nur um seine Macht, sondern um sein Leben – mit all dem Mut und der Skrupellosigkeit, die diese Verzweiflung hervorbringen kann.

Und wenn bei dem Fehlschuss sogar völlig Unschuldige getötet werden? Babys gar? Dann steht die Rechtfertigung der eigenen Kriegsführung, vielleicht sogar der eigenen Kriegsgründe in Frage. „How many more Libyan children are we willing to kill?“ fragt James Heffernan auf Huffington Post. Eine gute Frage. „Kein einziges“, muss die Antwort lauten. Denn dass die Öffentlichkeit sich heute dafür interessiert, wie moralisch die eigenen Streitkräfte ihren Krieg führen, darf man unbedingt als zivilisatorischen Fortschritt betrachten. Seit eh und je spiegelte die Art, in der eine Gesellschaft ihre Kriege führt, das Gefüge ihrer Werte in Friedenszeiten.

Was folgt daraus? Wer im Krieg den Führer des Feindes töten will, muss die Sache perfektionistisch angehen. Eine Bombe auf ein Gebäude zu werfen, in dem sich der Oberste Kriegsherr vielleicht oder mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit gerade aufhält, ist nicht gut genug – Präzisionswaffen hin oder her. Entweder man verfügt über wirklich präzise Informationen und wirklich präzise Wirkmittel, oder man lässt es bleiben.

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